ZURÜCK IM ALL-WETTER-TAFT-LAND
Nun begann für mich die Arbeitssuche. Es wurde Zeit,dass wieder Geld in die Kasse kam. Peter wollte mich alle 6 Wochen besuchen kommen. Wir waren uns einig, dass nach dieser schweren Zeit jeder jetzt so leben sollte, wie es für ihn am Besten sei. Ich war ziemlich ausgelaugt und frustriert. Der so plötzlich umgesetzte radikale Wandel, das wegschneiden aller Wurzeln, es wurde mir zuviel. Ich suchte wieder einen Halt, ich sehnte mich nach fröhlichen, unbeschwerten jungen Menschen, die die Zukunft noch vor sich haben. Ich hoffte, dass diese mich anstecken um auch wieder Freude am leben zu haben. Zum 3. mal startete ich einen Neuanfang ins Ungewisse. Ich bündelte jeden Lebensfunken in mir, und so startete ich in meiner alten zweiten Heimat Deutschland nochmals ein neues Leben.
Das Glück stellte sich schnell auf meine Seite. Ich lernte eine Ärztin kennen, in deren Praxis ich mitarbeiten konnte. Das ganze fing gut an. Zu den Patienten zählten namhafte Künstler aus der Theater und Filmscene. Durch diese bekam ich wieder Kontakt zur Theater-Welt, die ich immer wieder schmerzlich vermisste. Eine Tänzerin, die in einer namhaften Gruppe die erste Geige spielte, wurde peu a peu zu meiner Freundin. Für sie war ich eine mütterliche Freundin, die ihr den Erfolg gönnte.
Von da an verbrachte ich viele Abende erst nur im Zuschauerraum,später auch hinter den Kulissen, und am Ende durfte ich mit den Tänzern und Schauspielern noch ins Scene-Restaurant, wo der meist überschwängliche Applaus noch weiter gefeiert wurde. Ich fühlte mich fast wie eine von ihnen. Diese Theaterluft, die unbekümmerte, verrückte Art der Künstler, dieses laisser-faire, das war meine Welt. Den Zenit hatte ich ja schon längst überschritten, aber innerlich sog ich diese Luft auf, als wäre sie nur für mich geschaffen worden. Diese besondere Athmosphäre, die unbeschwingte ausgelassene Art , wie sehr hatte ich das in den letzten Jahren vermisst. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich weder lachen noch weinen kann. Meine Seele war wie versteinert. Die vielen Sorgen der letzten Jahre nahm mir die Luft zum Atmen. Durch die Begegnung mit diesen frischen jungen phantasievollen Leuten, wurde mir dies alles erst richtig bewusst. Ich habe jahrelang nur noch funktioniert, aber nicht mehr gelebt. Ich brauche keine Sonne, keinen Strand keine nahtlose Bräune. Für mich sind kreative, fröhliche und interessante Menschen der Lebensimpuls. Diese Leute lebten das Leben wovon ich in jungen Jahren geträumt hatte. Dann kam die erste grosse Liebe dazwischen, und alles wurde anders. Unterdessen bin ich nicht mehr so hormongesteuert. Wichtige Entscheidungen werden immer öfter von Kopf und Bauch in Übereinstimmung gefällt. Das ist im Leben wohl so vorgesehen, dass man erst over the hill sein muss, sozusagen ausserhalb der Zielgruppe, um seine innerliche Ruhe zu finden, und sich nicht mehr so schnell aus dem Konzept bringen zu lassen.
Allerdings sieht das die Werbung ganz anders. Nun die wird ja auch von jungen kreativen Leuten gestaltet. Überall wird einem verklickert, wie wichtig Sex bis ins hohe Alter sei. 80 jährige Uromas die keinen Orgasmus mehr haben seien zu bedauern. Ja, immer gut drauf sein, alles was irgendwo geschrieben steht oder im Fernsehen rüberkommt, für bare Münze nehmen. Das Leben besteht nur noch aus schnellen Nummern, von echter Liebe schon lange keine Spur mehr. Hauptsache die Busengrösse stimmt, die Nase hat eine einheitlich langweilige Form und das Fett wird regelmässig abgesaugt. Die ersten Jahrzehnte hilft Botox oder Hyaluronsäure zu einem faltenfreien Gesicht.Später muss es dann aber doch ein echtes chirurgisches face-lifting sein. Der Körperkult treibt herrliche Blüten. Gleichzeitig scheint sich aber der IQ zurück zu entwickeln. Ein langsamer aber stetiger Werteverfall schleicht durch die westliche Zivilisation. Eigentlich wiederholt sich die Geschichte nur immer wieder. Schon in der Bibel wird der Tanz um das goldene Kalb beschrieben. Oder die verrückten goldenen 20 er Jahre. Tatsache ist aber wohl, dass jeder auch noch so faltenfreigespritzer Body irgendwann den Geist aufgibt. Zugegeben, im Sarg gibt er denn auch noch was her, so als Leiche sollte man ja auf jeden Fall auch gut rüber kommen. Wenn er nicht verbrannt wird können sich die Würmer und Käfer auf eine leckere Mahlzeit freuen. Die fettabgesaugten toten Körper bestehen dann vornehmlich aus Hyaluronsäure und Botox. MMMMMMM, lecker!
Andererseits gibt es natürlich auch die sogenannten Ökos. Nur ja nichts verändern, seinem Verfall in Demut entgegensehen und auf keinen Fall Achsel,Bein oder gar Schamhaare rasieren. Nur Wasser und CD an die Haut lassen. Mit 50 sieht man dann aus wie ein schlecht gelagerter schrumpfliger Apfel. Der einheitlich graue Kurzhaarschnitt, alternativ Pferdeschwanz, gutes Leinen, selbstgestrickte Pullover- und immer ein sanftes Lächeln auf den Lippen. Ihre Männer tragen Birkenstock und sind in einem einheitlichen Rentnerbeige gekleidet. Ob der Hävelmann in der Hose auch schon schrumpelt?
Aber natürlich gibt es auch die unzähligen Ausnahmen.
Charlie-Chaplin, dem ich anlässlich eines Blumenkorsos in der französischen Schweiz, während meiner Internatszeit, begegnet bin , zeugte ja mit über 70 noch ein Kind. Er wirkte äusserst charmant und umschwärmte uns junge Mädchen allesamt. Andererseits kam er klein und zerbrechlich rüber, aber seine Mimik und Gestik strömte noch eine lebhafte Potenz aus. Offenbar sind die meisten Männer bis zu ihrem Tod dazu verdammt, Testosterongesteuert durch das Leben zu hechten. Selbst wenn der Hormonanteil im Älterwerden nachlässt, können ihre Augen nie genug kriegen. Ihr Balzverhalten wirkt dann oft lächerlich. Altersgeilheit, ja so nennt man das denn. Sexualität findet ja immer erst im Kopf statt. Je älter die Herren, desto kopfgesteuerter ihre Sexualität. . Wenn in der Hose kein Aufstand mehr stattfindet, wird der Blick umso gieriger. Als junges Mädchen hat es mich schon angewidert, wenn ältere Herren auf Stierblick schalteten, oder gar anzügliche Bemerkungen machten. Da kommt mir mein vorletzter Zahnarzt in den Sinn. Ein vorzüglicher Handwerker. Aber wie er immer mit seinen Augen meine Beine abtastete , und dann sich mit vollem Einsatz beim Bohren mit seinen Ellenbogen es sich auf meinem Busen gemütlich machte, dass war schon ziemlich heiss.
Trotzdem- das unbeschwingte Leben fängt erst an, wenn man nicht mehr zur Zielgruppe gehört. Die Autoverkäufer zum Beispiel nehmen einem gar nicht mehr wahr. Für die ist man Luft. Die denken, dass diese Rentner doch nur zum Zeitvertreib herkommen. So kann man sich ganz ungeniert alle Modelle ansehen, ohne belästigt zu werden. Es interessieren plötzlich Autos , deren Sitz höher ist, dadurch das Ein-und Aussteigen bequemer. Der Miniskusverschleiss im Knie macht sich doch schon ab und zu bemerkbar, und die Bandscheiben melden sich auch immer öfter zu Wort. Da erweckt ein Schüler , der lockig flockig herumgeistert schon mehr Aufmerksamkeit. Könnte ja sein, das sein Vater vermögend ist, und ihm spätestens zum Abitur ein Auto kauft. Ja, wenn man das Verfallsdatum schon sichtbar überschritten hat, mutiert man zum nobody.Da helfen auch keine Markenklamotten und geputzten Schuhe mehr.
Dass jetzt aber schon ab und zu im überfüllten Bus Schüler aufstehen und ihren Sitzplatz anbieten, verwundert erst schon. Die Jugend ist viel besser als ihr Ruf!!Man gewöhnt sich daran und plötzlich gefällt einem diese Geste sogar. Das ist mir selbst im 9.Monat hochschwanger nicht passiert.
Als aber neulich in der Flughafenschwebebahn eine ganze Horde Japaner aufsprang um mir ihren Sitzplatz anzubieten , kam ich doch ins Grübeln.Komme ich schon so verwelkt rüber?Wenn ich nach Hause komme muss ich mich doch mal vor dem Spiegel überprüfen. Sicher , mein Körper hat sich verändert. So wie ich mit 12 Jahren plötzlich feststellte, dass sich meine Stubs- in eine Adlernase verwandelt hat, so stellte ich jetzt eines Tages fest, dass aus meinen Spiegeleiern mit Pinnen zwei ansehnliche Möpse geworden sind. Bis dato trug ich keinen Büstenhalter, das war noch ein Restaufbegehren der 68 Jahre. Oben ohne, auch unter der Bluse oder dem Pulli. Damit war jetzt aber Schluss, zumal die Möpse auch langsam aber sicher dem Schwerkraftgesetz folgen. Auch haben sich an Hüften und Po weibliche Rundungen entwickelt. Mein Gesicht ist relativ faltenfrei, einfach so, ohne Hilfsmittel. Ja entweder stramm und glatt, oder schlank und schrumplig. Man kann halt nicht alles haben. Manchmal hat eben doch nicht alles seine Zeit. Die beidseitig genehmigte Partnertauschbörse Zeit ist ebenfalls schon längst abgelaufen und erledigt. Damals fanden wir den Spruch: wer zweimal mit der gleichen pennt, gehört schon zum establishment, einfach toll.Dazu wollte man ja noch nicht gehören. Oder liegt es an meiner Haltung? Ja, die Zeiten wo mein beschwingter Gang auf hohen Stöckelschuhen aufsehen erregte, ist auch vorbei. Nun gut, die asiatischen Völker haben halt noch Respekt vor dem Alter. Dass sie sich dabei aber noch demütig verneigen, schien mir dann doch übertrieben. Nun rückblickend finde ich es doch sehr angenehm, wenn einem Altersrespekt gezollt wird. Auch vorbei die Zeiten der gierig lüsternen Männerblicke. Andererseits interessieren sich jetzt zunehmend schwule Männer für mich. Da ist Mamma angesagt, die hat Verständnis für mich, und die will
garantiert keinen Sex mehr. In den italienischen Eissalons bedienen mich die smarten Kellner immer aufmerksamer. Ich erinnere sie bestimmt an ihre Mamma.
Nun rechne ich mich aber weder zu den Schrumpelökos noch zu den gespritzten Abziehbilder. Aber auch in einer Mischgruppe nagt das Alter unaufhörlich an den Rippen.
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.Das ist wahrscheinlich der Grund, warum einige ältere Damen plötzlich ihre Haare knallrot färben, sich mit grossblumig-wallenden Kleidern umhüllen, und in Gesellschaft laut kiechernd und gestikulierend sich versuchen in Scene zu setzen. Man nimmt ja dem Grünzeug nichts mehr weg, man lebt schon längst ausserhalb der Gefahrenzone.
Mit einer Ausnahme. In den sogenannten Seniorensitzen, da geht wieder hoch her. Da wo laut Statistik auf 35 Frauen 1 Mann kommt. Da fängt die verwitwete Beamtengattin sich plötzlich wieder an zu schmücken, und ihre schmalen Lippen grellrot zu färben. Sie liest jetzt in der Zeitung nicht mehr nur den Literaturteil, nein, plötzlich setzt sie sich mit den Sportartikeln auseinander. Man möchte ja immer für ein allfälliges Gespräch mit dem ebenfalls verwitweten , leicht gebückt schlurfenden, aber immer noch gut aussehenden Herr.Professor , gerüstet sein. Plötzlich ist man wieder mitten drinn. Genüsslich stellt man fest, dass auch ein verwelkter Körper noch in der Lage ist, Reste des angeborenen Balzverhaltens hervorzubringen. Hat die ehemalige Opersängerin nicht doch mehr Falten im Gesicht, als ich? Ja klar, die ist ja auch schon viel älter. Sie wurde vor 3 Wochen 90. Ich werde erst in 2 Monaten 90. Diese alte Schachtel. Wie macht sie es nur, dass sie beim Hr. Professor so viel Aufmerksamkeit erregt? Liegt doch nicht an ihrem Schmuck? Bestimmt alles nur Modeschmuck, kennt man ja von den Theaterleuten. Oder am Silberknauf ihres Stockes, den sie, im Gegensatz zu mir , ja schon braucht. Und ihre Figur!Da sehe ich wirklich noch viel geschmeidiger aus. Den wenigen Schmuck den ich besitze ist wenigsten echt. Nur ihre Stimme, ja das muss ich zugeben, ihre Stimme hat was magisches. Das wird es sein.