GEDANKEN EINES REGENTROPFENS
Die Melodie die wir beim Aufklatschen auf den harten Boden komponieren hört sich für euch vielleicht traurig oder gar trotzig an. Mag sein, aber was bleibt uns anderes übrig , als auf diese Weise zu erzählen, dass wir viel lieber als Wolke weiter gelebt hätten. Wir spielten mit dem Wind, der pustete uns vor sich her, dabei hatten wir viel Spass .Das war unsere Kindheit und Jugendzeit. Wir fühlten uns in Gruppen wohl.
Plötzlich erzählte dann ein schon in der Pupertät befindlicher Tropfen einen komischen Witz, da mussten wir alle herzlich lachen. Die meisten von uns haben ihn allerdings noch nicht richtig verstanden. Aber das wollte keiner zugeben . Also lachten wir uns scheinbar kaputt. Wir vollführten einen Freudentanz und zwirbelten dabei umher. Dann kam irgend ein Witzboldtropfen noch auf die Schnapsidee ein Feuerwerk zu zünden. Ich gebe zu, das war des Guten zu viel. Da platzte einigen schon vermeintlich erwachsenen Tropfen endgültig der Kragen, und schwupps, fielen wir mit Elan auf die harte Erde.
Dass ihr da unten unterdessen fast alles zu betoniert, bebaut und Bäche und Flüsse begradigt habt, ist nicht unsere Schuld. Ich bin ja schon öfter aufgeklatscht und erinnere mich gerne an frühere Zeiten, wo alles noch sanft und grün war. Ja, früher war eben doch vieles besser. Doch wir sind mal wie wir sind. Unverbesserliche Partygänger. Wir sind eigentlich ganz gerne auch bei euch da unten . Jede Kindheit geht nun mal zu ende. Wir ernähren euch , Tiere und Pflanzen und geben vielen Menschen Gelegenheit sich in uns zu aalen und sich mit unserer Gegenwart sauber zu halten. Das war in der guten alten Zeit natürlich auch besser. Da herrschte noch nicht dieser übertriebene Sauberkeitsfimmel. Wir müssen jetzt auch oft echte Sklavenarbeit machen. Werden mit ekligen Chemikalien vermischt, oder auch zu kleinen Eiswürfeln gefroren. Dann ist es obercool geworden uns mit Alkohol zu übergiessen, und genüsslich zu schlürfen. Echter Kannibalismus. Die Menschen bestehen doch selbst hauptsächlich aus Wasser. Aber irgendwie sind diese Wesen mit viel Hirn und Herz nicht die Krönung der Schöpfung. Da lob ich mir die Medusen. Die sehen nicht nur romantisch aus mit ihrem violetten Glanz. Die sind einfach toll schlabbrig , haben weder Gehirn noch Herz und bestehen zu 98% aus Wasser. Die haben viel mit uns gemeinsam. Was bei uns der Wind und Sturm bewirkt, machen bei ihnen Wellen und Strömung . Sie lassen sich einfach treiben. Um sich zu vermehren benötigen sie keinen Sexpartner. Ihre Polypen setzen ständig neue kleine Medusen ab. Ununterbrochen, so wie wir , sind sie in einem geschlossenen Kreislauf gefangen. Ihnen hat man zwar nichts zubetoniert, aber dafür ihre Feinde , die Fische, vernichtet. Was sie natürlich freut, so können sie sich ungehemmt vermehren. Unterdessen beherrschen sie u.a. die Bucht von Mallorca, die Baie des Anges vor Nizza , die müsste jetzt Baie des Medus heissen, mit Engeln hat sie nichts mehr zu tun !
Sie kommen unterdessen nicht nur im Mittelmeer, nein auch im indischen Ozean, der Küste Floridas und Mexikos und selbst an der japanische Küste vor. Neuerdings hat man sie sogar im schwarzen Meer gesichtet.
Sie sind ja wirklich atemberaubend schöne Wesen und schweben feeenartig durch das Wasser. Einige schiessen über ihre Tentakeln sogar Giftpfeile ab, die für die Menschen sehr schmerzlich, wenn nicht sogar tödlich sein können. Ja, das ist der Beweis, zum Töten braucht man weder Hirn noch Herz. Das zeigt der Mensch ja auch immer wieder, obwohl er ja , so erzählt man uns, über beides verfugen soll.
Nach getaner Arbeit verdampfen wir uns heimlich wieder und finden uns erneut in Gruppen am Himmel, wo eine neue Kindheit und Jugendzeit auf uns wartet. Und wie die Menschen, so lernen schlussendlich auch wir nichts von den Alten. Auch wir machen immer wieder die gleichen Fehler, feiern Partys bis zum Platzen, wollen unbedingt erwachsen werden und wenn wir es dann sind, sehnen wir uns zurück in die Kindheit. Das ist unser Kreislauf unser Schicksal. Ich habe allerdings ein Ziel, irgendwann möchte ich es schaffen eine fröhliche Note in der Melodie zu sein, die beim Aufklatschen auf die Erde ertönt, und die Menschen nicht beängstigt, sondern erfreut.